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HR-Daten: Chance für Diversity?

Die Förderung von Vielfalt und Chancengleichheit für Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen ist in Unternehmen sowohl eine Frage der sozialen Gerechtigkeit als auch ein Erfolgsfaktor. Denn unterschiedliche Kontexte und Perspektiven innerhalb einer Organisation bilden den Nährboden für kreativen, pluralen Austausch und Ideenreichtum – und das ist gerade in Zeiten hohen Innovationsdrucks ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Doch wie lässt sich nachvollziehen, wie divers die Mitarbeiterschaft ist? Wie lassen sich Defizite erkennen und wie lässt sich potenziellen Diskriminierungseffekten vorbeugen? Dr. Stefanie Nickel, Global Head of Diversity & Inclusion, Sandoz, im Gespräch über erste Erfahrungen bei der Nutzung von HR-Daten in diesem Bereich.



Frau Dr. Nickel, welche Rolle spielen HR-Daten im Thema Diversity?

Im Bereich einiger Merkmale wie Geschlecht, Alter, Nationalität bereits eine sehr wichtige, weil sie uns Feedback zur Repräsentanz im Unternehmen. Hinsichtlich weiterer Dimensionen und Inklusion gibt es aber noch viele Möglichkeiten, systematisch Daten zu erfassen und Interventionen im Hinblick auf Ihre Effektivität zu evaluieren.



Wie genau könnte das aussehen?

Beispielsweise in Form von Angaben von Mitarbeitenden zu aus ihrer Sicht wichtigen Identitätsmerkmalen. Diese sind ja für uns meist unsichtbar wie beispielsweise Angaben zu LGBTQI+, ethnischem Hintergrund, Behinderungen, Betreuungsnotwendigkeiten, Engagement, Sense of Belonging etc. Eine aggregierte Auswertung dieser freiwillig zur Verfügung gestellten Daten würde uns sehr helfen, mehr über die Präsenz unterschiedlicher Identitäten sowie die Erfahrungen und die Inklusion von Mitarbeitergruppen zu erfahren – und diese besser zu verstehen.


Nur weil man über die Daten verfügt, ist ja nicht gewährleistet, dass man auch sofort Schlüsse daraus ziehen kann …

Hier seien beispielhaft sogenannte Randomized Controlled Trial (RCT)-Ansätze zu nennen. Sie bieten die Möglichkeit, den Effekt von Aktivitäten und Interventionen kausal zu verstehen: Wenn ich etwas tue, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich etwas bewirke? Gibt es unerwünschte Wirkungen, die ich abmildern muss? Das braucht Planung, Hypothesen zu Wirkungszusammenhängen, analytische Tools und idealerweise eine große Population, um Signifikanz bewerten zu können.


Das klingt sehr aufwändig. Ist nicht alleine die Gewinnung und Analyse der Daten eine große Herausforderung?

Das ist nicht von der Hand zu weisen: Herausforderungen gibt es etliche. Denken Sie an die systematische Zusammenführung verschiedener Daten aus unterschiedlichen Bereichen. Der Kausalitätsnachweis benötigt wiederum Vorplanung und koordinierte Umsetzung. Auch die Unterscheidung von reiner Deskription und der Gewinnung echter Einsichten ist nicht trivial, genauso wenig wie die zielgruppenfokussierte Kommunikation zur Gewinnung der Daten und später zur Erläuterung.


Und dennoch lohnt sich der Aufwand?

Der Aufwand ist gerechtfertigt, ja. In der Medizin sind RCTs der Goldstandard. Sie sind aber auch für das Management eine wertvolle Entscheidungsgrundlage, systematisch zentrale Aktivitäten zu evaluieren – im Unternehmen oder vielleicht sogar multizentrisch zusammen mit anderen Unternehmen oder Industrien. So ließe sich herausfinden, welche Maßnahmen eben die gewünschten Effekte bringen und welche eben nicht. Der Lohn wäre also auch die Steigerung der Effektivität.


Welchen Stakeholdern nutzen die Daten denn am Ende?

Allen am Geschäftserfolg Beteiligten. HR-Daten sollten aber letztlich auch als Business-Daten nutzbar sein, denn HR-Interventionen sollten sich auch an ihrer Wirkung auf das Geschäft messen lassen.


Doch wie gelingt es, diesen Nutzen allen Beteiligten auch deutlich zu machen?

Wichtig ist, dass die Daten so aufbereitet werden, dass sie für die verschiedenen Stakeholder-Gruppen relevant, einfach verständlich und aktionsorientiert sind. Unsere Manager:innen erhalten beispielsweise regelmäßig eine Übersicht zu den Abstimmungen ihres Teams über verschiedene Engagement-Parameter mit der Aufforderung, dies im Team zu besprechen und gemeinsam zu definieren, was weitergeführt oder geändert werden soll.


Werfen wir einen Blick auf das Thema Diversity bei Sandoz…

Diversity ist für uns sehr wichtig. Sie ist Teil unserer Wirklichkeit und unsere Aufgabe ist es sicherzustellen, dass alle Mitarbeiter:innen die gleichen Möglichkeiten haben und wir Inklusion aktiv leben, damit jeder teilhaben kann und sich gehört und geschätzt fühlt. Hier spielen Daten in der Erfassung unserer gemeinsamen Realität hinsichtlich Präsenz, Teilnahme und Erfahrung eine große Rolle.


Wie drückt sich das denn konkret aus?

Wir sind besonders stolz auf eine unternehmensweite Studie, die wir zusammen mit Florian Englmaier und Silvia Castro von der LMU München sowie Maria Guadalupe von der INSEAD Business School zum Thema Psychologische Sicherheit durchgeführt haben. Dafür wurden im Rahmen von zwei Interventionen zur Förderung von psychologischer Sicherheit im direkten Gespräch zwischen Manager:in und Mitarbeiter:in im Vergleich zu einer Kontrollgruppe die Angaben von mehr als 7.000 Sandoz-Mitarbeiter:innen weltweit getestet und mit unseren Organisations- und Teamdaten ausgewertet.


Verraten Sie uns ein paar Ergebnisse?

Ein Ergebnis war, dass die Frage vom Manager „Wie kann ich dich unterstützen?“ und die erfolgte Themenvorgabe durch den/die Mitarbeiter:in eine signifikante Steigerung der erfahrenen psychologischen Sicherheit ermöglichte. Für eine Subpopulation, bei der bereits ein gutes Niveau an psychologischer Sicherheit vorhanden, aber noch Steigerung möglich war, hat auch die Frage „Welche Zielkonflikte und/oder Barrieren hinsichtlich deiner Aufgaben erlebst du?“ zu einer signifikanten Steigerung geführt. Dies immer im Vergleich zur Kontrollgruppe, die unsere Basisaktivitäten und den Dialog zu dem wichtigen Thema Psychologische Sicherheit – als zentrale Voraussetzung für Inklusion und Speak-up-Kultur im Unternehmen – reflektierte.


Der Manager hat also eine zentrale Bedeutung für das Thema psychologische Sicherheit?

Richtig. Außerdem hatten wir uns als sekundäre Endpunkte auch den Einfluss auf die Wahrnehmung von direkten Vorgesetzen als Vorbild angeschaut sowie den Fortschritt allgemein – beides wurde durch den Individuations-Ansatz signifikant positiv beeinflusst. Eine systematische Evaluierung von Aktivitäten kann somit wichtige Erkenntnisse für effektives Arbeiten liefern.


Was sind abschließend Ihre Empfehlungen an Praktiker:innen, die zu diesem Thema in Unternehmen arbeiten?

Ich denke, dass ein Verständnis der wissenschaftlichen Evidenz zu wichtigen Themen sowie ein strategischer Dialog am Anfang stehen und die Datensammlung treiben sollte: Was soll erreicht werden? Wie wirkt sich etwas aus? Nur so kommen wir von der Deskription zu echten Erkenntnissen. Uns hat der Austausch mit der Wissenschaft hier sehr geholfen!


Frau Dr. Nickel, herzlichen Dank für das Gespräch!


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